LiteraTour – literarische Reise nach New Mexico
Die literarische Reise führt mich nach New Mexico in den Südwesten der USA. Diesmal fand ich nur wenige interessante Bücher, deren Handlung in dem Bundesstaat angesiedelt ist, daher stelle ich nur ein Buch etwas eingehender vor.

New Mexico wurde als 47. Bundesstaat in die United States of America am 6. Januar 1912 aufgenommen. New Mexico wird auch als Land of Enchantment bzw. span. Tierra de Encanto („Land der Verzauberung“) bezeichnet.
Die Hauptstadt von New Mexico ist Santa Fee, die größte Stadt Albuquerque.
Von TUBS CC BY-SA 3.0
New Mexico grenzt – anders als von mir erwartet – im Süden nur entlang eines kurzen Abschnitts an Mexico. Das Land ist durch die Lage auf einer abwechslungsreichen Hochebene gekennzeichnet. Charakteristisch sind die vielfältigen bunten Gesteine.
Mit 9,5 Prozent stellen die Native Americans einen relativen hohen Anteil an der Bevölkerung dar. Der hispanische Teil macht 42,1 Prozent aus. In den 1960er Jahre entstand das Chicano Movement, eine Bürgerrechtsbewegung, die sich das Ziel setzte „Mexican Americans“ (Chicanos) in ihren Rechten und ihrem Selbstbewusstsein zu stärken. (siehe unten Anaya und Valquez Quade)
Wirtschaftlich liegt das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf in New Mexico unter dem Durchschnitt. Der Bundesstaat wäre daher beispielsweise von den von Trump geplanten Kürzungen bei Medicaid, der Krankenversicherung für Bedürftige, besonders hart betroffen. Es stechen zwei nukleare Forschungs- und Entwicklungszentren in New Mexico heraus: das Los Alamos National Laboratory (LANL) und das Sandia National Laboratories in Albuquerque. In Los Alamos wurde während des zweiten Weltkriegs das Manhattan Project durchgeführt, ein militärisches Atomforschungsprojekt unter Leitung von J. Robert Oppenheimer (siehe „Was wir nicht wussten“).
Bücher, die in New Mexico spielen
Percival Everett Erschütterung Carl Hanser Verlag 2022 288 S. | Trauer Zach Wells, Professor für Paläontologie an einer kalifornischen Universität, könnte eigentlich zufrieden mit seinem Leben sein. Als bei seiner Tochter eine tödliche Krankheit entdeckt wird, gerät seine Welt aus den Fugen. Kann ein Hilferuf von Frauen aus New Mexico seinem Leben wieder Sinn geben? Mehr zum Inhalt | |
Rudolfo Anaya Bless me Ultima Grand Central Publishing 2023 320 S. | Coming of age – Chicano Literatur Der Roman von Rudolfo Anaya liegt nur im Original vor. Trotzdem habe ich ihn in meine Übersicht aufgenommen. Seit Ende des 17. Jahrhunderts kam es im ländlichen Gebiet von New Mexico zu einer Durchmischung der Hispanos und indigenen Bevölkerung, was zu einer Kombination aus indigenen Mythen und Katholizismus führte. Dies ist der Hintergrund für die Geschichte von Antonio Marez. Kurz nach dem 2. Weltkrieg nimmt die Antonios Familie Ultima, eine ältere Curandera (Heilkundlerin), auf. Sie begleitet Antonio auf seinem Weg ins Erwachsenwerden. | |
Kristin Valquez Quade Die fünf Wunden Originaltitel: The Five Wounds Schöffling Verlag 480 S. | Familiengeschichte In Las Peñas, einem kleinen Ort in New Mexico hat es Amadeo Padilla auf sich genommen, die Karfreitags-Prozession als Jesus anzuführen. Währenddessen zieht seine 15 jährige schwangere Tochter Angel bei ihm ein und seine Mutter Yolanda erfährt, dass sie an einem Hirntumor sterben wird. Im Mittelpunkt des Romans steht die Schilderung, wie die Familie mit den jeweils eigenen Sorgen umgeht und miteinander kommuniziert bzw. nicht spricht. Sprachlosigkeit, aber auch ein familiäres Zusammengehörigkeitsgefühl sind zentrale Themen des Romans. | |
TaraShea Nesbit Was wir nicht wussten Originaltitel: The Wives of Los Alamos DuMont Buchverlag 2016 256 S. | Gesellschaftsroman Frauen aus den verschiedensten Orten der Welt treffen 1943 in Los Alamos, New Mexico, aufeinander. Was sie eint, ist die Tatsache, dass ihre Männer in einem Projekt (der Entwicklung der Atombombe) unter höchster Geheimhaltungsstufe arbeiten. Der Roman greift – in Wir-Form erzählt – die Perspektive der Ehefrauen in den 1940er Jahren auf. Zeitweise ist dies so langweilig, wie aus der heutigen Sicht die Themen von Hausfrauen waren. So wird ausführlich geschildert, auf welche Weise sich ein Stück Steak beim Fleischer für ein festliches Mahl gesichert werden kann. Auf der anderen Seite zeigt sich das Erschrecken, als mehr und mehr Tatsachen bekannt werden. Mich hat die „Wir-Form“ gestört und durch einige Passagen musste ich mich quälen. Ein wichtiges Thema, dem aus meiner Sicht eine eher persönlichere Verarbeitung gut getan hätte. |
Erschütterung

Percival Everett
Erschütterung
Originaltitel: Telephone
Carl Hanser Verlag 2022
288 S.
www,carl-hanser-verlag
Der Ich-Erzähler Zach Wells im Roman von Percival Everett ist „Geologe-Schrägstrich-Paläbiologe“, Mitte Vierzig und arbeitet als Professor an einer Universität in Altadena, Kalifornien. Er ist verheiratet, hat eine 12-jährige Tochter, Sarah, die er über alles liebt, und könnte eigentlich zufrieden mit seinem Leben sein. Doch Zach behauptet von sich ein „unglücklicher Mensch“ zu sein. Im Umgang mit einer wissenschaftlichen Mitarbeiterin ist er schon mal brüsk und weist ihre Bitte um Unterstützung harsch zurück. Auch sonst zeichnet er sich durch einen eher wenig emphatischen Kommunikationsstil aus.
Eines Tages übersieht Sarah bei einem Schachspiel mit ihrem Vater einen Läufer. Zach ist zwar verwundert, denkt sich aber noch nichts dabei. Kurze Zeit später wird klar, dass seine Tochter immer eingeschränkter sieht. Ein Optiker kann jedoch keine Sehbehinderung feststellen. Eine eingehende Untersuchung bringt die traurige Gewissheit, dass Sarah an einer unheilbaren Krankheit (einem genetischen Defekt – von beiden Eltern) leidet. Eine Krankheit, die in kurzer Zeit zum Tod führen wird. Erschüttert finden Zach und seine Frau nur schwer einen Weg, wie sie mit dieser Situation gemeinsam fertig werden können. Eine Reise mit der Tochter nach Paris bietet nur kurz eine Ablenkung, aber auch eine erschreckende Erkenntnis.
„Here comes an old soldier from botany bay“
Als Zach in einem Hemd, das er über einen Versandhandel bestellt hatte, einen kleinen Zettel mit einem Hilferuf „Bitte helfen für uns“ findet, ist er zunächst irritiert. Absender: Bingham, New Mexico. Je mehr er sich damit beschäftigt, desto klarer wird für Zach, dass der Hilferuf zu einer Möglichkeit wird, seinem Leben irgendwie wieder einen Sinn zu geben.
Das Ganze war bloß, was es war: eine Ablenkung, ob nun willkommen oder nicht, von der furchteinflößenden Situation, in der wir uns befanden. Die Mitteilung war eine seltsame Bestätigung von Wissen, das ich nicht besaß.
und etwas später heißt es:
Wenn Rednecks Angst bekommen, greifen sie zu ihren Gewehren. Wenn Intellektuelle Angst bekommen, greifen sie zu philosophischen Grundsatzfragen: Was ist das Gute? Was ist die Schönheit? Was heißt es, etwas zu wissen?
Um sicher zu sein, dass die Nachricht kein Streich ist, schickt Zach das Hemd zurück und platziert eine versteckte Antwort. In der nächsten Lieferung findet er ein Post-it mit den Worten „Por favor ayúdenos. No nos dejan ir“ (Sie lassen uns nicht gehen). Kurzentschlossen bricht Zach nach New Mexico auf. Um den Absender des Hilferufs zu ermitteln, schickt er eine rote Schachtel an die Postfach-Adresse in Bingham und wartet in seinem Jeep drei Tage, bis das Päckchen abgeholt wird.
Geschickt verwebt Everett die Trauer eines Vaters um den Tod seiner Tochter mit essentiellen Fragestellungen wie der Bewältigung von Angst und Suche nach Gewissheit. Zach wurde mir mit seiner arroganten, etwas zu sehr von sich überzeugten Art nicht unbedingt sympathisch. Trotzdem hat mir das Buch sehr gut gefallen, weil es viel Anlass zur Auseinandersetzung mit grundlegenden Themen wie Trauer, Identität und Gewalt bietet.
Weitere Buchtips?
Wer noch einen Literaturtip für mich zu New Mexico hat, kann sich gerne melden: post@bremerfreizeit.de