Kentucky

LiteraTour – literarische Reise nach Kentucky

Die literarische Reise führt mich diesmal nach Kentucky in die Mitte der USA. Ich stelle einen Country noir, einen Entwicklungsroman und eine Blues Novel vor. Erwähnung findet auch die Hillbilly-Elegie von J.D. Vance.

Kentucky wurde als 15. Bundesstaat in die United States of America am 1. Juni 1792 aufgenommen.
Kentucky hat den Beinamen „Bluegrass State“.
Das Staatsmotto lautet: „United We Stand, Divided We Fall“
Die Hauptstadt von Kentucky ist Frankfort.
Die größte Stadt ist Louisville.

Von TUBS – CC BY-SA 3.0

Kentucky liegt zwischen den Südstaaten und den Nordstaaten. Der Staat hat den Beinamen „Bluegrass State“ wegen seines nährstoffreichen Bodens, der dem Gras eine bläuliche Färbung verleiht. Ein in Kentucky verbreiteter Countrymusic-Stil wird dem entsprechend Bluegrass Music genannt.

Sheriff im County

Kentucky ist in 120 Countys eingeteilt und steht mit dieser Anzahl nach Texas und Georgia an dritter Stelle. Countys sind in Amerika die regionalen Verwaltungseinheiten ähnlich den Landkreisen in Deutschland. Sheriffs überwachen die Gesetzesvollstreckung im County. Im Gegensatz zur städtischen Polizei sind sie außerhalb der Gemeinden zuständig. Sheriffs werden für 4 Jahre gewählt und können sich dann noch mal wieder bewerben. Vom Sheriff können geeignete Personen zum Deputy (als Hilfe) ernannt werden. Der Sheriff Coroner ist für die Leichenschau zuständig. Dispatcher sind Angestellte im Sheriff’s Office, die sich um eingehende Anrufe kümmern. Erst in den letzten Jahren haben sich zunehmend Frauen um die Stelle als Sheriff beworben (s. Chris Offutt).

Bücher, die in Kentucky spielen

Chris Offutt
Ein dreckiges Geschäft
Tropen Verlag 2023
265 S.
Country noir
Mick Hardin kuriert sich in seiner Heimat Kentucky bei seiner Schwester aus. Da bekommt er den Auftrag, die Umstände, die zum Tod eines Drogendealers geführt haben, aufzuklären. Ein Krimi, in dem die Atmosphäre in den Bergen des ländlichen Kentuckys eingefangen wird. Mehr zum Inhalt
Lee Coel
Kentucky
Rowohlt Buchverlag 2023
416 S.
Gesellschaftsroman
Lee Coel erzählt die Geschichte von Owen Callahan, einem Grünpfleger und aufstrebenden Autor in Louisville. der sich in eine Schriftstellerin verliebt. Die Geschichte spielt kurz vor der ersten Amtszeit von Donald Trump. Mehr zum Inhalt
Gayl Jones
Corregidora
Kanon Verlag 2022
229 S.
Blues Novel
Kentucky 1947: Jeden Abend singt Ursa in Happy“s Café den Blues. Die schwarze Bluessängerin verarbeitet in ihrer Musik seelischen Verletzungen, Erfahrungen von Gewalt und Ausbeutung. Dabei ist sie auf der Suche nach einem eigenen, selbstbestimmten Leben. Mehr zum Inhalt
J. D. Vance
Hillbilly Elegie
Originaltitel: HILLBILLY ELEGY: A Memoir of a Family and Culture in Crisis
Ulstein Verlag 2017
302 S. oder
Yes Publishing 2024
304 S.
Gesellschaftskritische Analyse
Die Bekenntnisse von J.D. Vance zu seiner Herkunft riefen sehr unterschiedliche Reaktionen hervor. Anfangs wurde das Buch gefeiert, da Vance sehr offen über seine Kindheit und Jugend spricht. Auch wenn er in Middletown/Ohio aufwächst, ist er familiär geprägt durch seine Wurzeln, die bei den Hillbillys in den Appalachen liegen. Trotz einer Jugend, die von Armut und Sucht geprägt ist, schafft er sich – dank einiger Unterstützer – aus dem Milieu hochzuarbeiten.
Mit seiner Nominierung als Vize-Präsident begannen Distanzierungen zum Buch. Ich finde die Geschichte trotz allem sehr aufschlussreich. Vance weiß eigentlich, was Jugendliche brauchen, um sich aus dem „White Trash“ herauszuarbeiten. Zu wünschen bliebe, dass sich Vance doch eines Tages wieder daran erinnert.
Kentucky: ausgewählte Bücher

Ein dreckiges Geschäft

Chris Offutt
Ein dreckiges Geschäft
Originaltitel: Shifty’s Boys
Tropen Verlag 2023
265 S.
www.klett-cotta

In Rocksalt in den Kentucky Hills kuriert Mick Hardin, Kriminalermittler bei der US Army, bei seiner Schwester Linda eine Verletzung am Bein aus, die er sich bei einer Explosion bei einem Einsatz in Afghanistan zugezogen hat. Da wird er von Shifty Kissick, einer alten Bekannten, beauftragt nachzuforschen, wer ihren Sohn Barney ermordet hat. Mick beginnt Nachforschungen anzustellen, die nicht jedem gefallen. Wenig begeistert ist auch Linda, die voll und ganz mit den Vorbereitungen zu ihrer Wahl als Sheriff beschäftigt ist.

Eigentlich hatte sie nicht vorgehabt, jetzt bei der Wahl um das Amt des Sheriffs anzutreten. Geplant war, den Posten zu bekleiden, bis Neuwahlen ausgeschrieben wurden, und den Sieger darum zu bitten, als Dispatcherin weiterarbeiten zu dürfen. Aber dann bewarb sich ein ausgemachter Idiot und Frauenfeind um die Stelle. Ihn von dem Amt fernzuhalten, wurde zu Lindas neuem Ziel im Leben.

Ihre Chancen stehen nicht schlecht. Sie macht ihre Sache bisher gut und außerdem kennt man sich in der ländlichen Gegend Kentuckys.

Ihre Familiengeschichte kannte eigentlich jeder – der Vater ein Säufer, die Mutter hatte das Haus nicht verlassen, der Bruder ein schwieriger Typ mit Eheproblemen. In Eldridge County galt sie als vertrauensvoll, weil all diese Dinge über sie bekannt waren.

Als auch noch Barneys Bruder tot aufgefunden wird, muss zunächst geprüft werden, in welche Zuständigkeit die Ermittlungen fallen, ob die Leiche auf dem Gebiet der Stadt oder dem des Countys gefunden wurde.

Der Chief schickt uns einen Landvermesser mit der Flurkarte vorbei.

Linda hat Glück, die Leiche gehört dem Rocksalt Police Department, was den Interessenkonflikt mit ihrem Bruder umgeht. Als dann noch Micks Hütte abbrennt und dieser nur durch einen Zufall überlebt, weiß Mick, dass er in einem Wespennest gestochen hat. Gemeinsam mit Barneys (überlebendem) Bruder Raymond macht er sich auf die Suche nach den Tätern. Es kommt zum Showdown.

Hintergründe

Neben der eigentlichen Kriminalgeschichte erfahren Lesende auch einiges über Kentucky. Eine Zeitlang konnte sich die Wirtschaft durch den Betrieb von Kohlebergwerken erholen. Bei den Beschäftigten hatte die Arbeit im Bergwerk Folgen, wie Johnny Boy bei seinem Onkel Billy sieht, der mal kräftig und robust gewesen ist.

Er atmete unter großen Mühen und musste oft so lange husten, dass es klang, als wolle er einen Teil seiner wunden Lunge mit aushusten. Es jagte Johnny Boy schreckliche Angst ein. Zwanzig Jahre hatte sein Onkel unter Tage gearbeitet, bekam aber trotzdem keine Hilfszahlungen von der Regierung für Patienten mit Kohlenstaublunge. In Kentucky gab es als einzigen Staat ein neues Gesetz, welches es Radiologen verbot, Röntgenbilder von Staublungen auszuwerten. Davon profitierten die Bergwerksbetreiber, aber nicht die sterbenden Arbeiter.

Der Krimi lässt sich locker lesen. Die Naturbeschreibungen und vorgestellten Charaktere vermitteln einen lebendigen Eindruck vom ländlichen Kentucky. Mich hat besonders die Beschreibung von Lindas Wahlkampf als Sheriff interessiert, da ich bisher darüber sehr wenig wusste. Zum Schluss wird es mir etwas zu blutig, aber dies erkennt sogar selbstkritisch der Protagonist.

Kentucky

Lee Cole
Kentucky
Originaltitel: Groundskeeping
Übersetzung: Jan Schönherr
Rowohlt Buchverlag 2023
416 S.
Suhrkamp

Es ist die Zeit kurz vor den Wahlen 2016. Owen Callahan kehrt zurück in seine Heimat Kentucky und zieht (vorübergehend) bei seinem Großvater in ein Kellerzimmer ein. Mit in dem Haus wohnt sein etwas verschrobener Onkel, ein glühender Trump Anhänger. Neben seiner Arbeit als Grünpfleger nimmt Owen – sozusagen als „Belohnung“ – an einem Creative Writing-Seminar teil. Sein Wunsch ist es Schriftsteller zu werden. Daher dokumentiert er regelmäßig alles, was ihn so beschäftigt.

Auf einer Party lernt er Alma kennen, eine etablierte Schriftstellerin, die als Dozentin an der Uni tätig ist. Alma ist vor einigen Jahren mit ihrer Familie aus Serbien nach Amerika geflohen. Mit Mühe haben ihre Eltern es geschafft sich hochzuarbeiten.
Die beiden werden ein Paar, doch schon bald wird spürbar, dass sich – allein schon familiär bedingt – zwischen Owen und Alma Gräben auftun. Die Besuche bei den Eltern offenbaren dies eindrücklich. So spielen sie bei der Mutter von Owen und ihrem Lebenspartner gemeinsam ein Spiel mit Dominosteinen.

So, sagte Mom. Das Spiel heißt „Mexikanerzug“.
Aha, schnaubte ich.
Sie stutzte, sah mich an. Was?
Soll ich wirklich fragen, warum das so heißt, oder ist die Antwort sowieso rassistisch?
Keine Ahnung, sagte sie. Es legen alle ihren eigenen Zug und an den Mexikanerzug kann sich jeder dranhängen.

In Washington bei Alma zuhause zeigt Almas Mutter Owen das Haus. Sie starten im Fernsehzimmer, dem bevorzugten Aufenthaltsraum der Familie.

Im Fernsehen lief stumm MSNBC, der linksliberale Nachrichtensender. In einer Ecke stand ein Drehstuhl vor einem chaotischen Computertisch. Der Bildschirm zeigte eine auf Pause gestellte Schachpartie, umringt von einem guten Dutzend Post-its.

So wie Kentucky zwischen Norden und Süden liegt scheint geradezu symbolisch auch Owen irgendwie überall nicht richtig hin zu gehören. Der Autor, in Kentucky geboren, schafft es in alltäglichen Begebenheiten Enge und Rückständigkeit der ländlichen Regionen einzufangen. Mir haben die vielen kleinen Beschreibungen ein lebhaftes Bild von diesem Bundesstaat vermittelt.

Corregidora

Gayl Jones, Corregidora, Originaltitel: Corregidora
Übersetzung: Pieke Biermann
Kanon Verlag 2022, 229 S.
kanon-verlag.de

Hörbuch Kanon Verlag 2022
gelesen von Joy Denalane
Ca. 6 Std.

Ein Roman wie Blues

„Das Beste an meinem Schreiben kommt eher vom Gehörthaben als vom Gelesenhaben “ erklärt Gayl Jones.

Kentucky 1947: Jeden Abend singt Ursa in Happy’s Café. Mit ihrem Blues drückt sie die Schmerzen und das Böse aus, was sie umgibt. Dabei ist sie nicht zimperlich im Umgang mit rassistischem Vokabular und Kraftausdrücken. Sprachliche Wiederholungen geben den Rhythmus der Musik wieder.

Der Roman ist gewöhnungsbedürftig und lässt sich am besten beim Hören erschließen. Das Nachwort macht vieles verständlicher.