Kansas

LiteraTour – eine literarische Reise nach Kansas

Die nächste Station meiner literarischen Reise durch die 50 US-Bundesstaaten führt nach Kansas, in die Mitte zwischen Ost- und Westküste.

Kansas wurde als 34. Bundesstaat zu den United States of America am 29. Januar 1861 aufgenommen. Kansa bedeutet in der Sprache der Sioux „Volk des Südwinds“.
Kansas hat den Beinamen „Sunflower State“.
Die Hauptstadt von Kansas ist Topeka.

Von TUBS – CC BY-SA 3.0

Kansas liegt genau in der Mitte zwischen Ost- und Westküste. Der Bundesstaat ist durch ein kontinentales Klima geprägt. Große Teile von Kansas liegen in den Great Plains, einem trockenen landschaftlichen Gürtel, der sich östlich von den Rocky Mountains von Kanada bis nach Texas im Süden der USA ausbreitet.

Wandel der Natur

Bis in die 1860er-Jahr weideten im amerikanischen Westen rund 60 Millionen Bisons; zwei Jahrzehnte später war die Population durch weiße Jäger nahezu ausgerottet. Die Prärie im östlichen Teil wird heute großflächig für Weizenanbau (größtes zusammenhängendes Weizenanbaugebiet der USA) und Rinderzucht genutzt. Typische Hochgrasflächen, auf denen früher Bisons weideten, sind nur noch vereinzelt wie in den Flint Hills zu finden.
Heute ist die Landwirtschaft stark von zunehmenden Unwettern betroffen. Bei meinen Recherchen bin ich darauf gestoßen, dass Kansas den Inflation Reduction Act verabschiedet hat. Er umfasst eine Reihe von Steueranreizen bei Einsparungen von Energie (Dämmung, Elektromobilität, etc.). Obwohl Kansas unter den Folgen des Klimawandels zu leiden hat, ist die Bevölkerung aber eher konservativ eingestellt.

Deutschstämmige Einwohner

Der Anteil deutschstämmiger Einwohner ist in Kansas hoch, was sich in Ortsbezeichnungen wie Stuttgart, Marienthal und auch Bremen widerspiegelt. Aus Kansas (Abilene) kommt auch Dwight D. Eisenhower, der einzige deutschstämmige US-Präsident. In dem Roman von Ben Lerner (s.u.) tritt ein enger Bezug zur deutschen Sprache, Literatur und Philosophie an vielen Stellen hervor.

Selbstverständnis amerikanischer Unternehmer

Der Unternehmer Andrew Carnegie ließ Anfang des 20. Jahrhunderts neunundfünfzig Bibliotheken (s.u. Rosalyn Tilghman) allein in Kansas errichten. Typisch für viele amerikanische Unternehmer war Carnegie der Überzeugung, besser als der Staat zu wissen, was gefördert werden sollte. Keine Nachsicht kannte er dagegen bei streikenden Arbeitenden in seinem Unternehmen.

Kurzüberblick ausgewählte Bücher, die in Kansas spielen

John Williams
Butcher’s Crossing
Originaltitel: Butcher’s Crossing
dtv Verlag 2016
368 S.
Auf der Suche nach Idealen im Wilden Westen
Um 1870 machen sich von Butcher’s Crossing, einer kleinen Ansiedlung im Westen von Kansas, vier Männer auf den Weg, um Büffel zu jagen. Einer von ihnen, Will Andrews, hat gerade sein Studium abgebrochen und hofft, sich in der ursprünglichen Natur selbst zu finden.
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Ben Lerner
Die Topeka-Schule
Originaltitel: The Topeka School
Suhrkamp Verlag Berlin 2020
393 S.
Gesellschaftskritischer Roman während der Jahrtausendwende
Ende der 1990er Jahre steht Adam Gordon kurz vor seinem Abschluss an der Topeka Highschool. Er ist ein begnadeter Debattierer. Seine Mutter Jane ist Psychologin und erfolgreiche Verfasserin feministischer Romane. Sein Vater Jonathan ist ebenfalls Psychologe. Die Geschichte wird aus der Perspektive der drei ProtagonistInnen erzählt.
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Rosalyn Tilghman
Die Bücherfrauen
Originaltitel: To the stars through difficulties
376 S.
S. FISCHER, 2021
Roman um drei Frauen
Angelina kehrt an den Ort ihrer Kindheit, New Hope, zurück, um ihre Doktorarbeit über die Entstehung von Bibliotheken zu beenden. Dort trifft sie mit zwei Frauen zusammen, Gayle und Traci, die ebenfalls auf der Suche nach einem Neuanfang sind.
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Truman Capote
Kaltblütig
Originaltitel: In cold blood
Rororo, 2003
478 S.
Tatsachenroman: Wahrheitsgemäßer Bericht über einen mehrfachen Mord und seine Folgen
Eine Nacht im November 1959. In Holcomb, einem kleinen Städtchen in einer einsamen Gegend auf der Weizenhochebene von West-Kansas werden ein Farmer, seine Frau und die Kinder bei einem Raubüberfall ermordet. Die Beute beträgt gerade mal 45 Dollar. Truman Capote hat mehrere Jahre in Holcomb verbracht und sich intensiv mit dem Ort, seinen Bewohnern, den Hintergründen der Tat und den beiden Angeklagten beschäftigt. Mit dem Roman hat ein ganz neues Genre geschaffen. Beeindruckend!
Sara Paretsky
Altlasten
Originaltitel: Fallout 
Deutsch von Else Laudan und B. Szelinski
Argument Verlag mit Ariadne, 2023
544 S.
Gesellschaftskritischer Krimi
Vic Warshawski, eigenwillige Detektivin, ist in Chicago zuhause. Sie bekommt diesmal den Auftrag August Veriden, einen jungen Filmemacher, zu suchen. Er soll eine ehemalige Filmschauspielerin in deren Heimat Lawrence in Kansas begleitet haben, bevor die beiden spurlos verschwanden. Auf der Suche nach Veriden stößt Warshawski auf ein stillgelegtes Raketensilo, undurchsichtige Aktivitäten und Pläne von Agrakonzernen. An einigen Stellen gerät die Geschichte etwas zu sehr ins Detail. Insgesamt aber ein spannender und überaus informativer Krimi.
Ein ausführliches Glossar am Ende des Buches verdeutlicht den Bezug zu tatsächlichen Ereignisse.
Kansas: ausgewählte Bücher

Butchers Crossing

Cover Butcher's Crossing

John Williams
Butcher’s Crossing
Originaltitel: Butcher’s Crossing
Übersetzung: Bernhard Robben
dtv Verlag, 2016
368 S.
www.dtv.de

Auf dem Weg in den Westen

Will Andrews bricht um das Jahr 1870 sein Studium ab und macht sich von Boston quer durch das Land auf den Weg nach Westen, um zu sich selbst in der Natur zu finden. Mit einer Kutsche reist er das letzte Stück von Ellsworth durch die Weite der Prärie.

Das Klappern der Hufe klang nun rhythmisch und gedämpft; eine Wolke von Staub, gelb wie Rauch, stieg über dem Wagen auf und wogte hinterdrein. Durch das Rasseln des Zaumzeugs, den schweren Atem der Mulis, ihr Hufklappern und das unregelmäßige Knarzen der Kutsche drang aus der Ferne gelegentlich der Ruf einer menschlichen Stimme oder das Wiehern eines Pferdes. Neben dem Weg tauchten im Gras der weiten Prärie kahle Flächen auf; hier und da waren die verkohlten, überkreuz liegenden Scheite eines erloschenen Lagerfeuers zu sehen; …

Angekommen in dem kleinen Ort Butcher’s Crossing könnte er bei einem Freund seines Vaters, der mit Büffelfellen handelt, im Kontor Arbeit finden. Dies schlägt er jedoch aus, weil er „so viel wie möglich vom Land sehen“ möchte. Miller, ein passionierter Büffeljäger und Einzelgänger, lockt Andrews mit Geschichten von riesigen Büffelherden, versteckt in einem entlegenen Tal tief in den Colorado Rockies. Diese warteten darauf eingefangen zu werden. Andrews beschließt sich der Expedition anzuschließen, um die Tiere aufzuspüren. Begleitet werden die beiden von Millers Freund Charley Hoge und dem Häuter Fred Schneider.

Die Büffeljagd

Die Reise ist aufreibend und strapaziös. Andrews ist angesichts des Kampfes Mensch gegen Tier fassungslos.

»Miller hat die Büffel gestellt«, stieß Andrews keuchend hervor. »Sie bleiben einfach stehen und lassen sich abknallen. Die laufen nicht mal weg.«

Immer weiter treibt Miller die Gruppe in das Tal, obwohl sie eigentlich schon mehr Felle gesammelt haben als transportiert werden können.

»Wie viele haben Sie schon erledigt?« wollte er (Andrews) wissen.
Miller gab keine Antwort; er drehte sich mit weit aufgerissenen Augen zu ihm um und stierte mit leerem Blick durch ihn hindurch, so als gäbe es ihn gar nicht. …
Miller schoss, lud nach, schoss und lud wieder. Der beißende Pulverdampf wurde immer dichter; Andrews hustete, rang nach Luft und hielt den Kopf möglichst überm Boden, …
Wenn er den Kopf hob, sah er, dass das Tal vor ihm mit den buckligen Kadavern der Büffel übersät war;…

Vom Schnee überrascht müssen die Männer in den Rocky Mountains überwintern. Die Lage spitzt sich immer weiter zu.

Resümee

Das Buch erschien im Original 1960 und blieb dann lange Zeit unentdeckt. Nachdem bereits von John Williams der Roman „Stoner“, beim Deutschen Taschenbuch Verlag erschienen, ein großer Erfolg war, folgte „Butcher’s Crossing“ 2015 im selben Verlag. Ich habe das Buch damals gelesen und war beeindruckt. Bei der Aufnahme in die Lesereise durch die 50 Bundesstaaten konnte ich mich schnell wieder an den Inhalt erinnern. Ein intensives Buch mit großartigen Landschaftsbeschreibungen! Die Protagonisten, die überwiegend Männer sind, leitet eine Sehnsucht nach Wildem Westen und Abenteuer. Am Ende zeigt sich aber auch wie weit unstillbare Gier den Menschen treiben kann.

Die Topeka-Schule

Cover Die Topekaschule Roman USA Kansas

Ben Lerner
Die Topeka-Schule
Originaltitel: The Topeka School
Aus dem amerikanischen Englisch von Nikolaus Stingl
suhrkamp taschenbuch, 2021
395 S.
Suhrkamp

Universitätsstadt Topeka

Der Roman spielt in der Heimat von Ben Learner in Topeka, Ende der 90er Jahre. Adam Gordon steht kurz vor dem Abschluss auf der Highschool. Der Roman wird aus seiner Perspektive und aus der Perspektive von Jonathan und Jane, seinen Eltern, die beide PsychologInnen sind, beschrieben. Außerdem kommt Darren, ein Außenseiter und Patient von Jonathan zu Wort. Eine weitere wichtige Person ist Klaus, ein Freund von Jonathan. Als Holocaost-Überlebender ist er Ende Fünfziger Jahre von Deutschland nach Topeka gezogen.

Sprache im Zentrum

Eine besondere Begabung hat Adam für das Debattieren. Reden, um zu gewinnen, ist eines der zentralen Themen in dem Roman. So erfährt man viel über die verschiedenen Debattierwettbewerbe und Arten des Debattierens. Als eine Technik bei den Wettbewerben wird das „Schnellsen“ vorgestellt. Innerhalb kürzester Zeit versucht dabei der Redner möglichst viele Argumente zu benennen, die es dem Gegner fast unmöglich machen, auf alle Argumente einzugehen.

Adams Mutter Jane ist eine erfolgreiche feministische Schriftstellerin. Durch ihre Bücher wird sie oft angefeindet. Bemerkenswert ihr Umgang mit diesen Anfeindungen. Überwiegend ignoriert sie diese einfach. Bei einem besonders hartnäckigen Anrufer treibt sie diesen fast in den Wahnsinn, in dem sie ihn immer wieder bittet seine Sätze etwas lauter zu wiederholen, weil sie ihn nicht verstehe.

Adams Vater Jonathan ist von Selbstzweifeln hinsichtlich seiner Erziehung von Adam geplagt. Jane erklärt ihrem Sohn

„Dad fragte sich außerdem, ob du das Gefühl hattest, er könnte die Familie nicht beschützen oder so etwas, ob du anfingst, Dads Sanftheit der uns umgebenden Marlboro-Mann-Kultur gegenüberzustellen, ein Gegensatz, der noch dadurch verschlimmert wurde, dass ich jetzt die Hauptverdienerin war, dass ich berühmt wurde und die Leute ständig fragten, wie das denn für Dad sei, als wäre es selbstverständliche entmännlichend, als wäre es für ihn ein Verlust.“

Vorgeschichte zur politischen Entwicklung der Gegenwart

Der Roman umreißt eine Fülle von Themen, die hier nur angerissen wurden. Wie Ben Lerner in einem Interview auf der Verlagsseite ausführt, ist der Roman eine Familiengeschichte mit den typischen Problemen eines heranwachsenden jungen Mannes in den 1990ern. Die intensive Auseinandersetzung mit Sprache erlaube aber auch Einblicke in die Vorgeschichte von Trump und verdeutliche eine anhaltende Identitätskrise weißer Männer. Ich konnte diese Absichten gut nachvollziehen und empfand den Roman über die Macht von Sprache und deren gezielten Einsatz gerade kurz nach der Wiederwahl von Trump als sehr aufschlussreich.

Die Bücherfrauen

Cover Die Bücherfrauen

Rosalyn Tilghman
Die Bücherfrauen
Originaltitel: To the stars through difficulties
Übersetzt von: Britt Somann-Jung
376 S.
S. FISCHER, 2021
Fischerverlage

Die Bibliothek im Zentrum

Bibliotheken sind nicht nur Orte, in denen es viele Bücher zu leihen gibt, sondern Treffpunkte unterschiedlichster Menschen, die in eine andere Welt eintauchen möchten und Begegnungen suchen. Die ersten Bibliotheken entstanden durch das Engagement einer Gruppe von Frauen, die der Unternehmer Andrew Carnegie maßgeblich mit finanziellen Mittel ausstattete.

Der Roman von Rosalyn Tilghman spielt in New Hope, 50 Jahre später, rund um das Kulturzentrum der ehemaligen Bibliothek. Im Mittelpunkt stehen drei Frauen, die auf der Suche nach einem Neuanfang sind. Angelina, die ihre Großmutter in New Hope besucht, möchte ihre Dissertation über die Gründung der Carnegie-Bibliotheken nach 10 Jahren wiederaufnehmen. Bei ihrer Großmutter hatte Angelina als Kind die Liebe zum Lesen entwickelt. Traci ist eine Künstlerin, die aus Müll Kunst kreiert. Auf der Flucht aus New York versucht sie sich durch einen gefälschten Lebenslauf in New Hope eine Stelle als Kunstpädagogin zu erschleichen. Gayle hat alles durch einen Tornado, der den Nachbarort Prairie Hill vollständig zerstört hat, verloren. Sie muss mit den Verlusten klar kommen und sich der Frage stellen, wie sie mit den Trümmern weiterleben kann.

Allen Schwierigkeiten zum Trotz

Mir gefällt der Originaltitel „To the stars through difficulties“ besser, da die drei Frauen, jede für sich, ihren eigenen Weg allen Schwierigkeiten zum Trotz suchen und auch gehen. Der englischsprachige Titel knüpft an das Motto des Bundesstaates „ad astra per aspera“ an. Das Motto bezieht sich auf die lange von Unruhen und Kämpfen gezeichnete Zeit bevor Kansas zu einem Bundesstaat wurde.
Mir erscheint der Ort Prairie Hill, der durch den Tornado vollkommen zerstört ist, beispielhaft gewählt für Kansas, dass von Auswirkungen der Klimaveränderung besonders betroffen ist.