LiteraTour – eine literarische Reise nach Arkansas
Meine literarische Reise durch die 50 Bundesstaaten der USA führt mich diesmal nach Arkansas.
Ergänzende Eindrücke von Arkansas vermittelt auch der Reise-Podcast vom Bayrischen Rundfunk von Dirk Rohrbach.
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Arkansas (ausgesprochen: [ˈɑɹkənsɔː]) wurde 1836 als 25. Bundesstaat in die Union aufgenommen und gehörte zu den sezessionistischen Südstaaten.
Arkansas zählte im 18. Jahrhundert zur französischen Kolonie Louisiana.
Arkansas wird „Natural State“ oder „Land of Opportunity“ genannt.
Die Hauptstadt ist Little Rock.
Aus Wikipedia CC BY-SA 3.0
Arkansas ist landschaftlich geprägt durch Berge, Wälder und fruchtbare Ebenen. An der östlichen Grenze trennt der Mississippi River Arkansas von Tennessee und Mississippi. Der Grenzverlauf wurde Ende des 18. Jahrhunderts entlang des Flusses festgelegt. Durch Veränderungen des Flussverlaufs entstanden an einigen Stellen mit der Zeit kleine Enklaven. So gibt es heute Splitter von Tennessee, die rundum von Arkansas umgeben sind und Splitter von Arkansas, die von Mississippi umgeben sind.
Noch immer gibt es weite Teile des Bundesstaates mit geringer Infrastruktur. Während der Erntezeit wurden früher Saisonarbeiter aus den Ozarks eingesetzt, einer Hochland Region im Norden von Arkansas. Die sogenannten Hillbillys galten als arme, kinderreiche Familienclans (siehe John Grisham).
Arkansas ist bekannt geworden durch Bill Clinton, der in Hope geboren wurde und in Little Rock Gouverneur war. Es gibt aber noch viele andere bekannte Persönlichkeiten, die mit Arkansas in Verbindung gebracht werden wie z. B. Johnny Cash, Louis Jordan, John Grisham oder Mary Steenburger.
Der lange Weg der afroamerikanischen Bürgerrechtsbewegung
Einst erlangte Little Rock Aufmerksamkeit durch die Little Rock Nine, die ersten neun schwarzen SchülerInnen, die 1957 die Central High School besuchen wollten. Trotz Aufhebung der Rassentrennung zwei Jahre zuvor hatten weiße Demonstranten versucht gegen eine Teilnahme der schwarzen Schüler am Unterricht zu protestieren. Letztendlich schaltete sich Präsident Eisenhower ein und veranlasste, dass die jungen Menschen von Soldaten begleitet die Schule betraten. Vorbehalte hielten sich jedoch noch lange. Rund um Little Rock lässt sich die Bürgerrechtsbewegung bis heute an vielen Orten erkunden. Ihre Erfahrungen mit Diskriminierung beschreibt Maya Angelou anschaulich in ihrem Roman (s.u.), der autobiografische Züge trägt.
Bücher, die in Arkansas spielen
John Grisham Die Farm Originaltitel:A Painted House | Farmerroman mit autobiografischem Hintergrund Es ist der Sommer 1952. Der 7-jährige Luke Chandler berichtet von seinem Erleben bei der Baumwollernte auf der Farm seiner Eltern in Arkansas. Wie in jedem Jahr beherrscht die Sorge über das Wetter und die Baumwollpreisentwicklung die Stimmung in der Familie. Für die Ernte werden Hilfskräfte angeheuert, Mexikaner und Saisonarbeiter aus den Bergen (die sogenannten Hillbilly). Mehr zum Inhalt | |
Maya Angelou Ich weiß, warum der gefangene Vogel singt | Autobiografischer Roman Zusammen mit ihrem vierjährigen Bruder Bailey kommt Maya im Alter von drei Jahren 1931 zur Großmutter nach Stamps in Arkansas. Bei „Momma“, die einen Gemischtwarenladen betreibt, leben die Kinder finanziell relativ behütet. Die Kluft zwischen Schwarz und Weiß bleibt aber im Alltag ständig spürbar. Mehr zum Inhalt | |
Richard Ford Zwischen ihnen – Erinnerungen an meine Eltern Originaltitel: Between Them. Remembering My Parents | Lebenserinnerungen an die Eltern Edna Akin und Parker Ford verlieben sich in den 1930er Jahren. Ednas Familie kommt aus North Arkansas. Parker ist in Arkansas auf dem Land aufgewachsen. Er, schüchtern und sensibel, ist als Handlungsreisender unterwegs, sie, lebhaft und quirlig, begleitet ihn auf seinen Reisen. Nach der Geburt von Richard scheint es notwendig an einem Ort sesshaft zu werden. Mehr zum Inhalt | |
Friedrich Gerstäcker Die Flusspiraten vom Mississippi | Abenteuerroman aus dem 19. Jahrhundert Friedrich Gerstäcker (1816-1872) ist ein deutscher Schriftsteller, der nach einer längeren Reise durch die USA unter anderem „Die Flusspiraten vom Mississippi“ schrieb. In der kleinen Stadt Helena am Mississippi kommen Farmer und Händler zusammen. Waren werden verladen und flussabwärts transportiert. Als Waren und Boote verschwinden, wird klar, dass Piraten am Werk sein müssen. Der Roman kann als Hörbuch in der ARD-Mediathek gehört werden. |
Die Farm
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John Grisham
Die Farm
Originaltitel: A Painted House
Übersetzung: Aus dem Amerikanischen von Annette Grube
Heyne Verlag, 2004
480 S.
www.penguin.de/buecher/john-grisham-die-farm/
Die Leute aus den Bergen und die Mexikaner kamen am selben Tag. Es war ein Mittwoch, Anfang September, 1952.
So beginnt der Roman von John Grisham, in dem er seine Kindheitserinnerungen verarbeitet. Protagonist ist der siebenjährige Luke, der mit seinen Eltern auf einer Farm in Arkansas lebt. Er beschreibt die Baumwollernte, die in jedem Jahr eine Herausforderung für die Familie darstellt. Finden sich genügend Hilfsarbeiter, wird sich das Wetter halten, werden die Preise stabil bleiben? Für die Erntezeit werden mexikanische Landarbeiter und eine Familie aus den Bergen angeworben. Bald zeigt sich, dass Hank, der Sohn der Familie aus den Bergen, auf Streit aus ist. Er provoziert Luke
„Hank aber wollte noch keine Ruhe geben. Er lehnte sich zurück, stützte sich auf einen Ellenbogen und sagte mit einem hässlichen Lächeln: „Wir sind knapp eine Stufe über den Mexikanern, stimmt’s, Junge? Nur Saisonarbeiter. Ein Haufen Hillbillys, die schwarzgebrannten Whiskey trinken und die eigene Schwester heiraten. Stimmt’s, Junge?“
Eines Tages wird Luke unfreiwillig Zeuge, wie Hank in der Stadt bei einer Schlägerei einen anderen Mann totschlägt. Dieses Ereignis stößt ihn in schwere Gewissensnöte. Er traut sich nicht gegen Hank auszusagen, aber seine religiöse Erziehung lässt ihn fürchten, bei einer Lüge gleich in die Hölle zu kommen.
Kampf ums Überleben und neue Perspektiven
Die Lage auf der Farm spitzt sich weiter zu als auch Hank ermordet wird. Noch bevor die Baumwollernte vollständig eingefahren ist, machen Gewittergüsse und Überschwemmungen ein Bleiben auf der Farm unmöglich. Lukes Eltern beschließen die Farm zu verlassen und sich Arbeit in der Industrie im Norden des Landes zu suchen. Von einem entfernten Verwandten haben sie gehört, wie viel mehr in der Industrie verdient werden kann als auf dem Land.
Eindruck
Der aus der Perspektive des siebenjährigen Luke erzählte Roman lässt den Lesenden schnell in das Leben auf der Farm eintauchen. Es ist ein hartes, arbeitsintensives, aber auch zufriedenes Leben. Kirche und Baseball sind zentrale Themen im Alltag. Überschattet wird das Leben von der Angst vor möglichen Schicksalsschlägen. Während der Erntearbeiten zeichnet sich eine Hierarchie auf der Farm ab: die Farmbesitzer, die Leute aus den Bergen, die Arbeiter aus Mexiko. Grishams Schreibstil ist dem Protagonisten angepasst einfach. Seine Charaktere wirken lebensecht und machen die Situation einer Farm Anfang der 50er Jahre in Arkansas lebendig.
Ich weiß, warum der gefangene Vogel singt
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Maya Angelou
Ich weiß, warum der gefangene Vogel singt
Maya Angelous Memoire 1
Aus dem Englischen von Harry Oberländer
Suhrkamp Verlag 2018
321 S.
suhrkamp.de
Die Geschichte mit autobiographischen Zügen der Autorin beginnt in Stamps, wo die Ich-Erzählerin (die dreijährige Maya) und ihr vierjähriger Bruder Bailey 1931 bei der Großmutter ankommen. Die Eltern hatten sich getrennt und die Kinder allein im Zug zur Großmutter geschickt. Im Süden der USA isolieren Rassengesetze noch Schwarze von Weißen. Momma betreibt im schwarzen Teil von Stamps einen kleinen Laden, um den sich das bunte Treiben nachbarschaftlicher Aktivitäten abspielt. Maya beobachtet, wie die Baumwollpflücker nicht von ihren Schulden runterkommen, so viel sie auch gepflückt hatten, es reicht nie.
Stamps in den 30er Jahren
Typisch für den kleinen Ort scheint die Haltung der Bewohner zu sein, die sich mit ihrem Schicksal abgefunden haben. Über Stamps schreibt Maya einige Zeit später, als sie aus St. Louis in den kleine Ort zurückkehrt:
Die Öde von Stamps war genau, was ich brauchte,… Nach dem Lärm und der Betriebsamkeit von St. Louis, … taten mir die dunklen Gassen und die einfachen Häuser mit ihren tiefen schattigen Höfen gut. Der Fatalismus ihrer Bewohner gab mir Kraft, mich auszuruhen, ihre Zufriedenheit beruhte auf dem Glauben, dass sie nichts mehr zu erwarten hatten, ihre Ansprüche hatten sie aufgegeben. Ihre Haltung, sich mit den Ungleichheiten im Leben abzufinden, war lehrreich für mich.
Maya erlebt diese schicksalsergebene Einstellung bei ihrer Großmutter, die sehr religiös ist. So stand sie während der Erntezeit morgens früh um 4 Uhr auf, um als erstes zu beten. Sie kniete auf dem Fußboden nieder und
sang mit schlaftrunkener Stimme: «O Vater, ich danke dir, dass du das Bett, in dem ich diese Nacht schlief, nicht zum Sarg werden ließest, noch die Decke zum Leichentuch. Führe meine Füße an diesem Tag auf dem schmalen, geraden Pfad und hilf mir, meine Zunge im Zaum zu halten. Segne dies Haus und alle, die es beherbergt. Dank sei dir im Namen des Sohnes, Jesus Christus, Amen.«
Auf zu eigenen Wegen
Viele der erniedrigenden Situationen scheinen für Maya kaum aushaltbar. Für mich am eindrücklichsten die Szene, als die Großmutter mit Maya zum Zahnarzt aufbricht. Sie hatte ihm während der Wirtschaftskrise einen Kredit in ihrem Laden gewährt. Nun bittet sie den weißen Zahnarzt ihre Enkelin zu behandeln. Obwohl sie ihn auch bezahlen kann, weigert er sich, eine schwarze Patientin zu behandeln.
Maya lernt aus ihren Beobachtungen und den späteren Aufenthalten bei ihren Eltern ihren eigenen Weg zu finden. Maya Angelou wurde Schriftstellerin und eine wichtige Persönlichkeit der Bürgerrechtsbewegung der AfroamerikanerInnen. Mich hat ihre Geschichte sehr beeindruckt.
Zwischen ihnen
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Richard Ford
Zwischen ihnen – Erinnerungen an meine Eltern
Originaltitel: Between Them. Remembering My Parents
Übersetzung: Aus dem amerikanischen Englisch von Frank Heibert
dtv Verlag, 2019
144 Seiten
dtv.de
Die ersten Jahre
Das Buch von Richard Ford besteht eigentlich aus zwei Essays. Den ersten Teil hat Richard Ford kurz nach dem Tod seiner Mutter geschrieben hat. Der zweite Teil über seinen Vater ist erst viele Jahre nach dessen Tod entstanden. Jeweils aus der Perspektive eines Elternteils und seinen eigenen Erinnerungen beschreibt Ford das Kennenlernen und die ersten gemeinsamen Jahre seiner Eltern. Beide waren in einer ländlichen Region von Arkansas aufgewachsen. Ednas Familie kam aus North Arkansas („eindeutig schlimmer als vom Lande“), Parker kam aus einer Farmer-Familie. Die ländliche Enge versuchen die beiden in ihren ersten Jahren zusammen mit den Eltern von Edna zu überwinden.
„In Hot Springs und Little Rock „gingen sie zusammen aus“. Tobten sich aus. Arkansas war noch nicht mal seit hundert Jahren ein Staat und Little Rock seine Hauptstadt, der Mittelpunkt der Welt – eine charakterlose, ruppige, eingebildete, unwichtige Flussstadt. Weder typisch Süden noch Westen, aber auch nicht richtiger Mittlerer Westen.“ … „In Little Rock lief was. Alle vier hatte es aus ihrem eigenen, persönlichen Nirgendwo dorthin gezogen.“ S. 23
Das Leben ändert sich als Richard geboren wird. Die Eltern suchen einen Ort, an dem sie sesshaft werden können. Während Parker als Handlungsreisender weiterhin häufig unterwegs ist, versucht Edna mit der Situation, allein mit Kind, fertig zu werden. Nachdem der Vater schon relativ früh stirbt, kurz bevor Richard 16 Jahre alt wurde, kommt Richard zu den Großeltern, bei denen er behütet aufwächst. Als seine Mutter Probleme bekommt weiter alleine zu wohnen, überlegt er, sie zu sich zu nehmen.
Rolle der Eltern
Die nüchterne, fast distanzierte Form, in der Richard Ford von seinen Eltern berichtet, spiegelt seine Bemühungen wider, möglichst genau und ohne Interpretation seine Erinnerungen festzuhalten. Eltern sind einerseits den eigenen Kindern nahe, andererseits aber doch mit ihrem eigenen Leben von den Kindern durch den Generationsunterschied getrennt. Die Spannung zwischen Nähe, Distanz, Trauer und Versäumnissen macht das Buch aus meiner Sicht unbedingt lesenswert.