Missouri

LiteraTour – literarische Reise nach Missouri

Die literarische Reise führt mich diesmal in den mittleren Westen der USA nach Missouri. Ich stelle zwei Romane vor, die vom ländlichen Missouri geprägt sind und gebe Hinweise auf eine Grafic Novel sowie eine Coming-of-Age Geschichte.

Missouri in United States

Missouri wurde am 10. August 1821 als 24. Bundesstaat in die United States of America aufgenommen.
Die Hauptstadt ist Jefferson City.
Städte in Missouri sind – für Musikrichtungen bekannt – die größte Stadt Kansas City (Jazz) und St. Louis (Blues) sowie Springfield.

Von TUBS – Diese Landkarte enthält Elemente von, CC BY-SA 3.0

Das Tor zum (wilden) Westen

Missouri liegt im mittleren Westen und hat einen hohen Anteil an landwirtschaftlich genutzter Fläche. Der Missouri-River, der längste Nebenfluss des Mississippi, durchquert Missouri von St. Louis im Osten nach Kansas City im Westen. Nördlich des Missouri-Rivers und im Westen gibt es vereinzelt noch Hochgrasprärien. Im Süden befinden sich die Ozarks-Gebirge. Die beiden größten Städte St. Louis und Kansas City liegen jeweils an der Grenze zu Illinois bzw. Kansas und bilden grenzüberschreitende Metropolregionen. Die Bevölkerung außerhalb der Ballungszentren gilt als eher konservativ.

Noch erwähnenswert über Missouri: In Hannibal (nicht weit von St. Louis entfernt) steht das Geburtshaus von Mark Twain.

Jesse James – eine Legende

Jesse James, der zu einer Wild-West-Legende wurde, kam ebenfalls aus Missouri. Als Jugendlicher hatte er auf Seiten der Südstaaten im Bürgerkrieg (mehr dazu siehe: Georgia) gekämpft. Missouri gehörte nicht zu den Konföderierten Staaten. Dennoch kam es an den Grenzen zwischen Anhängern der Konföderierten und Truppen der Nordstaaten zu erbitterten Kämpfe, bei denen die Zivilbevölkerung von beiden Seiten drangsaliert und vertrieben wurde.1 In Folge beging Jesse James in den Jahren nach dem Kriegsende 1865 mit seiner Bande mehrere Raubüberfälle u.a. auch auf Eisenbahnzüge. Zunehmend bekamen Menschen Angst mit der Bahn durch Missouri zu reisen. Nachdem ein Kopfgeld auf Jesse James und seinen Bruder ausgesetzt worden war, wurde er im April 1882 von einem Bandenmitglied von hinten erschossen. Dies nährte die bereits bestehende Neigung ihn zum Helden zu stilisieren. Die Graphic Novel von Dobbs lässt in einen Wilden Westen blicken, wie er tatsächlich war und löst den Mythos um Jesse James zumindest ansatzweise auf.

Bücher, die in Missouri spielen

John Williams
Stoner
Originaltitel: Stoner
dtv Verlag, 2014
352 S.
Klassiker
Rund 40 Jahre nach seinem ersten Erscheinen 1965 wurde die Neuauflage des Romans Stoner ein großer Erfolg. Anfang des 20. Jahrhunderts wächst William Stoner auf einer Farm im ländlichen Missouri auf. Er beginnt ein Landwirtschaftsstudium, entdeckt dann aber die Englische Literatur als seine wahre Leidenschaft.
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Daniel Woodrell
Winters Knochen
Original: Winter’s bone
Liebeskind Verlag 2011 (vergriffen)
224 S.
Krimi und Neo Western, Country Noir Krimi
Der Roman von Daniel Woodrell spielt in in West Plains in den Ozarks. Erzählt wird die Geschichte eines Mädchens, dass seinen Vater finden muss, der nach einer Auseinandersetzung zwischen drogendealenden Familien verschwunden ist.
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Dobbs
Die wahre Geschichte des Wilden Westens Jesse James 
Illustrator: Chris Regnault
Splitter Verlag, 2023
Graphic Novel über den Wilden Westen
Der Historiker Farid Ameur lieferte den Hintergrund für die Serie »Die wahre Geschichte des Wilden Westens«. Illustriert von Chris Renault wird im ersten Band der Werdegang von Jesse James dargestellt mit dem Anspruch, sich möglichst genau an den historischen Fakten zu orientieren. Es werden sowohl Licht- als auch Schattenseiten des Wilden Westens präsentiert, ohne den Mythos gänzlich aufzulösen. Das Heft enthält zudem einen umfangreichen historischen Anhang.
Benedict Wells
Hard Land
Diogenes Verlag 2021
Hörbuch
Vorgelesen von Robert Stadlober
7 Stunden und 53 Minuten

Coming of age
Der Roman von Benedict Wells beginnt mit der Feststellung »In diesem Sommer verliebte ich mich, und meine Mutter starb.« Es ist die Geschichte des fünfzehnjährigen Sam, der seine Mutter verliert, Freunde trifft, sich verliebt und dem es letzten Endes auch gelingt, zu seinem schweigsamen Vater einen Zugang zu finden. Der Roman spielt 1985 in einer fiktiven Kleinstadt in Missouri. Die Menschen hier sind sehr gläubig, eher prüde, jeder kennt jeden. Dank Playlist erklingt die Musik der 80er gleich mit im Ohr. Ich empfand das Hörbuch als stimmig vorgelesen, trotz aller Tragik hoffnungsvoll und einzelne Sätze wunderbar auf den Punkt formuliert.
In der ARD-Audiothek kann eine Hörspielversion nachgehört werden.2

Stoner

John Williams
Stoner
Originaltitel: Stoner
Aus dem Englischen von Bernhard Robben
dtv Verlag, 2014
352 S.
dtv

Mit „Stoner“ wurde 2009 ein Romans des amerikanischen Autors John Williams wiederentdeckt. Das Buch war – 1965 zum erstmals gedruckt – lange Zeit in Vergessenheit geraten. 2013 erschien der Roman dann ins Deutsche übersetzt. John Williams (geb. 1922) wuchs auf einer Farm im ländlichen Missouri auf. Schon früh erkannte er seine Liebe zur Literatur. In späteren Jahren lehrte er Englische Literatur an der Universität. Stoner war sein vierter Roman, der deutlich autobiografische Züge trägt.

William Stoner, 1891 auf einer kleinen Farm unweit des Dorfes Booneville geboren wächst auf dem Land auf. Er erlebt früh das durch Feldarbeit gekennzeichnete entbehrungsreiche Leben seiner Eltern.

Mit sechs Jahren melkte er die mageren Kühe, fütterte die Schweine im wenige Meter vom Haus entfernten Stall und sammelte die kleinen Eier einer Schar dürrer Hühner.

Im Alter von 19 Jahren schickt ihn sein Vater 1910 auf die University of Missouri in Columbia, um Landwirtschaft zu studieren. In einem Einführungskurs in Englische Literatur entdeckt er schon bald seine wahre Leidenschaft. Stoner beginnt Englische Literatur zu studieren. Später verbleibt er an der Universität, um als Professor zu lehren. Die Ehe mit seiner Frau Edith bleibt unglücklich, seine Tochter unnahbar und ein Freund entpuppt sich als skrupelloser Konkurrent. Stoner bleibt bedächtig und scheint stoisch alles hinzunehmen. Sein Leben wird erfüllt von seiner Leidenschaft für die Literatur. Kurz vor seinem Tod denkt Stoner über sein Leben nach und ihn überkommt mit aller Macht ein Gefühl eigener Identität.

Er war er selbst, und er wusste, was er gewesen war.

Im Nachwort heißt es: „Es ist ein Roman darüber, was es heißt, ein Mensch zu sein.“ Die Geschichte von William Stoner berührte mich so, dass das Buch bei mir der Eindruck hinterließ, genau eine solche Erfahrung beim Lesen gemacht zu haben.

Winters Knochen

Daniel Woodrell
Winters Knochen
Originaltitel: Winter’s bone
Aus dem Englischen von Peter Torberg
Liebeskind, 2011 (leider vergriffen)
224 Seiten
Liebeskind

In den Ozarks

Daniel Woodrell, geboren 1953 und aufgewachsen in den Ozarks lässt in diesem Roman seine Heimat- und Jugenderinnerungen wieder aufleben. Die Gegend ist geprägt von Wäldern, Hügeln, kleinen Orten, einer Abgeschiedenheit in der Familien ihre eigenen Gesetze schreiben. Diese ländliche Hochlandregion ist Kulisse für eine Geschichte um ein 16jähriges Mädchen, dass sich auf die Suche nach ihrem Vater macht.

Der Vater ist auf Kaution aus dem Gefängnis freigelassen worden. Als Sicherheit dafür, dass er am Verhandlungstag wieder vor Gericht erscheinen wird, hat er sein Haus und seine Ländereien eingesetzt, die Heimat seiner Familie. Anschließend verschwindet er. Ree, seine älteste Tochter, trägt die Verantwortung für ihre beiden Brüder und eine Mutter, die seit Jahren in ihrer eigenen Welt lebt. Auf sich allein gestellt, bleibt ihr nichts anderes übrig als nicht aufzugeben und ihren Vater zu finden.

Ree steckte fest. Sie kam sich allein vor, verloren in einem Sumpf aus hasserfüllten Verpflichtungen. Es würde keine schnelle Lösung geben, keine Antwort, keine Hilfe.

Ihr war nach Weinen zumute, aber das tat sie nicht. 

Bei ihrer Suche stößt Ree auf Schweigen, Ablehnung, Bedrohung und Hass. Die Situation wird immer verzweifelter, trotzdem gibt Ree bis zuletzt nicht auf.

Country Noir

Woodrell hat für seinen Schreibstil den Begriff „Country Noir“ gewählt. Ursprünglich gewählt für eine seiner Geschichten, setzte sich der Begriff auch bei anderen Werken des Autors durch.

Das Buch ist nur noch im Antiquariat erhältlich. Trotzdem erwähne ich es, weil ich die Geschichte und den Stil sehr beeindruckend finde. Ich konnte beim Lesen eine gute Vorstellung davon entwickeln, wie es in den Bergen von Ozark zugehen mochte insbesondere zwischen Familien (white-trash-clans), die sich über Generationen spinnefeind sind. Berührt hat mich auch die Zielstrebigkeit, mit der Ree sich unbeirrt bei der Suche nach ihrem Vater nicht vom Ziel abbringen lässt.

  1. In Booneville (Dorf in dessen Nähe Stoner 1891 geboren wurde) kam es am 17. Juni 1861 zur ersten Schlacht, bei der die Unionstruppen die Konföderationstruppen zurückdrängten  ↩︎
  2. ARD Mediathek: https://www.ardaudiothek.de/episode/hard-land/blasphemous-rumors-1-13/ard/13334313/ ↩︎